Künstler sind Diebe. Alle. Aber nur wenige gehen so offensiv mit diesem Umstand um wie Sting. Der nennt sein neues Album „The Bridge“ und entschuldigt sich im Booklet dafür bei Billy Joel, der 1986 ein Album gleichen Titels herausgebracht hat. Und erklärt in den ausführlichen Liner-Notes haarklein, woher er die Inspiration für jeden der zehn Songs hat. Dass Sting bei jeder Gelegenheit seine überragende Bildung herauskehren muss, kann nerven, ist aber bei der Güte des neuen Materials mehr als verzeihlich. „The Bridge“ zeigt Sting so fokussiert wie schon lange nicht mehr. Gleich die ersten beiden Nummern „Rushing Water“ und „If it’s love“ überraschen mit griffigem, lebhaftem, anspruchsvollen Pop, der an seine erfolgreichsten Zeiten in den Achtziger und frühen Neunziger Jahren erinnert. Sein alter Weggefährte Dominic Miller an der Gitarre hat wieder einen prägenden Einfluss auf die Songs, besonders bei Balladen wie „For her love“ mit seiner schönen Konzertgitarren-Figur. „Harmony Road“, eine Arme-Leute-Phantasie über den Ausbruch aus den deprimierenden Verhältnissen, zeigt mit seinem Fünf-Viertel-Rhythmus und Branford Marsalis schönem Sopran-Saxophon-Solo noch einmal des Meisters Jazz-Affinität, das flotte „The hills of the border“ verbreitet mit seiner rustikalen Fiddle schottisches Flair. Sting spickt seine lyrisch anspruchsvollen Texte wie immer mit reichlich Metaphern und geschichtlichen Querverweisen, doch beim abschließenden, tief berührendem Titelsong ist die Aussage klar: Es gibt da diese Brücke, nicht materieller, sondern spiritueller Natur, welche uns über die steigenden Fluten unserer bedrohten Welt tragen kann. Welche schönes Heilsversprechen. Und was für ein schönes Sting-Album.

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